Sporthalle

Gesamtleistungswettbewerb – was ist das eigentlich?

Der Gemeinderat entschied das Projekt "Neubau der Sporthalle" mittels eines Gesamtleistungswettbewerbs durchzuführen.

Kohli
Alfred Kohli

Der Gemeinderat entschied, den Neubau der Sporthalle mittels eines sogenannten Gesamtleistungswettbewerbs zu projektieren und durchzuführen. Alfred Kohli, vom Büro Kohli + Partner, Kommunalplan AG aus Wohlen begleitet diesen Projektwettbewerb im Auftrag des Gemeinderates.
Im folgenden Interview erklärt er diese Wettbewerbsform, die im öffentlichen Bau immer öfters genutzt wird.

1. Herr Kohli, Sie haben dem Gemeinderat Staufen die Durchführung eines Gesamtleistungswettbewerbs empfohlen. Weshalb dieses Verfahren?

Bei der Genehmigung des Kredites für das Evaluationsverfahren war die Rede von einem Projektwettbewerb oder Studienauftrag – Letzterer genügt mangels Anonymität nicht dem Submissionsdekret und fällt somit ausser Betracht.

Für Schul- und Vereinssporthallen sind vom Bundesamt für Sport (BASPO) entsprechende Planungsgrundlagen und Raumprogramme samt Ausstattungsvorschlägen vorhanden. Auch wurden Sporthallen für Gemeinden ohne weitere Anforderungen im baulichen Kontext mit angrenzenden öffentlichen Bauten im unbebauten, ebenen Gelände mehrfach erstellt. Es geht also nicht um ein Erstlingswerk, sondern vielmehr darum, praktische Erfahrungen aus anderen Sporthallen mit den spezifischen räumlichen Ansprüchen der Gemeinde zu optimieren.

Da die Rahmenbedingungen bekannt sind, macht es Sinn, lediglich einen kostengünstigeren Gesamtleistungswettbewerb in zwei Stufen zu bearbeiten.

2. Welches sind die Vorteile eines Gesamtleistungswettbewerbs gegenüber einem Projektwettbewerb?

Ein Team von freierwerbenden Architekten und selbständigen Totalunternehmern bearbeitet den Gesamtleistungswettbewerb. Gestalterisches und praktisches Wissen kommen vereint zum Ausdruck. Das Team macht Projektvorschläge und präsentiert verbindliche Erstellungskosten – entweder als Pauschal- oder Höchstpreis bei offener Abrechnung.

Mit der Abgabe eines Gesamtleistungswettbewerbes liegen der Gemeinde vor:

  • fertiges Projekt
  • verbindliches Angebot zu Projekt mit Höchstpreis
  • Werkvertrag
  • Terminprogramm
  • Zahlungsplan

Mit der Durchführung eines Gesamtleistungswettbewerbes hat die Behörde somit Sicherheit hinsichtlich

  • des Preises
  • der Termine
  • des Unternehmers

Dieses Vorgehen erlaubt meist kürzere Bauzeiten, da das Projekt oftmals im Rahmen eines Systembaus entwickelt wird. Da der Totalunternehmer die Führung des Projektes in der Hand hat, entstehen weniger zwischenmenschliche Reibungsverluste unter Planern, Bauleitung und Gewerken, da es im Interesse des Totalunternehmers liegt, das Projekt termin- und kostengerecht durchzuziehen.

Beim Projektwettbewerb erarbeiten die Architekten ohne Totalunternehmer nur Projektvorschläge. Nach erfolgreich abgeschlossenem Projektwettbewerb erfolgt die Realisation vielfach mit Einzelleistungsträgern (mehreren Handwerkern). Wenn die Schwellenwerte des Einladungsverfahrens erreicht sind, haben die Unternehmer ein Beschwerderecht ans Verwaltungsgericht, was zu deutlichen Bauverzögerungen führen kann.

Hingegen besteht bei einem Gesamtleistungswettbewerb lediglich bezüglich des Gesamtauftrags an einen Totalunternehmer ein Beschwerderecht. Die einzelnen Vergaben an die Handwerker erfolgen durch den Totalunternehmer, d.h. aber nicht, dass der Gemeinderat seinen Einfluss nicht geltend machen kann. Der Werkvertrag muss dem Gemeinderat das Mitspracherecht sichern. Gegen die Vergabeentscheide des Totalunternehmers gibt es kein Beschwerderecht und zeitliche Verzögerungen sind unwahrscheinlicher.

Für den Gemeinderat bedeutet das Bearbeiten, Verhandeln und Fällen von Vergabeentscheide für ca. 20 Einzelleistungsträgern viel Arbeit. Diese erbringt bei einem Gesamtleistungsauftrag der Totalunternehmer.

3. Hat denn ein Gesamtleistungswettbewerb auch Risiken?

Risikolos ist fast nichts. Entscheidend ist jedoch, dass im Rahmen des Präqualifikationsverfahrens von den Totalunternehmern klare Antworten zu folgenden Themen verlangt werden:

Qualität ausgeführter Sporthallen:

  • Erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Architekten und Totalunternehmer
  • 3 Referenzobjekte von ausgeführten Sporthallen mit Fotos und Namen der Auftraggeber

Projektbezogenes Management:

  • Zusammensetzung, Ausbildung und Erfahrung der Schlüsselpersonen
  • Projektbezogenes Management aus jüngerer Zeit
  • Qualitätssicherungssystem Zertifikat ISO 9001 inkl. Reaudits

Rechtliche und wirtschaftliche Situation der Unternehmung:

  • Rechtsform und Gründungsdatum
  • Organisation
  • Haupttätigkeit
  • Mitgliedschaften in Berufs- und Fachverbänden
  • Steuern und Sozialbeiträge bezahlt

Ausschlusskriterien:

  • Haftpflichtversicherung min. Fr. 5 Mio.
  • Auszug Betreibungsregister
  • Aktueller Handelsregisterauszug

Der Werkvertrag muss für beide Seiten korrekt abgefasst sein.

Unerlässlich ist ebenso ein vorgängig definitiv ausgearbeitetes Programm, da nachträgliche Änderungen mit erhöhten Kostenfolgen verbunden sind.

Um weitere Risiken auszuschliessen, empfiehlt sich eine technische Baubegleitung der Realisierung. Dadurch hat der Totalunternehmer kein freies Spiel, da die Qualität der Ausführung (Isolationen, Materialwahl usw.) durch eine fachkundige Person laufend kontrolliert wird.

4. Bürger fragen sich immer wieder, weshalb man nicht einfach eine bestehende, gut funktionierende Sporthalle kopieren und in Staufen gleich bauen könnte. Weshalb geht das nicht?

Ein solches Vorgehen ist unüblich und nicht empfehlenswert, aber durchaus denkbar. Das Finden einer Sporthalle, welche der am Standort gegebenen Situation entspricht, kostet Zeit und Geld. Jeder Änderungswunsch setzt entsprechende Pläne und Beschriebe voraus. Dem Eigentümer der ausgewählten Sporthalle steht eine Entschädigung für die Entwicklung, Projektpläne, Devis usw. zu. Ob eine Einigung kurzfristig möglich ist, wenn der Eigentümer die Absicht der Gemeinde Staufen kennt, ist nicht vorhersehbar.

Der Bau einer Sporthalle unterliegt dem Submissionsdekret. Somit muss ein offenes Submissionsverfahren mit Totalunternehmern eröffnet werden, also ein genau gleiches Verfahren wie unter Frage 2 beschrieben. Ob dies rascher zum Ziel führt, weniger Geld kostet und weniger Aufwand generiert, bleibt offen.

Ich weiss, dass eine andere Gemeinde nach durchgeführtem Projektwettbewerb und vom Architekten ausgearbeiteten Bauprojekt samt Kostenvoranschlag durch Zufall auf eine ähnliche Halle mit geringeren Kosten aufmerksam gemacht wurde. Die ursprünglichen Unterlagen müssen aktualisiert werden, damit sie als Grundlage für die weiteren Schritte dienen können. Ein entsprechendes Submissionsverfahren bleibt der Gemeinde jedoch nicht erspart.

Alfred Kohli, vielen Dank für Ihre  Antworten.

„Unerlässlich ist ein vorgängig definitiv ausgearbeitetes Programm. Nachträgliche Änderungen sind mit hohen Kosten verbunden.“

Haben Sie Fragen zum Wettbewerbsverfahren? Stellen Sie diese unten im Kommentarfeld. Alfred Kohli antwortet gern.


Beitragsbild: pixabay.com

3 Kommentare zu “Gesamtleistungswettbewerb – was ist das eigentlich?

  1. Ich finde das interessant mit dem Gesamleistungswettbewerb. Danke für die gute Information. Meine Frage: Sie sprechen vom Submissionsdekret, dem der Bau einer Sporthalle unterstellt ist. Ab welcher Baussumme muss eigentlich eine Gemeinde all diese Regeln beachten?

    Gefällt 1 Person

    • Zahno Gallus

      Da Alfred Kohli im Moment nicht in „PC-Weite“ ist, hat er mir seine Antworten per SMS geschickt.
      „Im Einladungsverfahren: Bei einer Lieferung beginnt es ab CHF 100’00.- , für eine Dienstleistung und Aufträge des Baunebengewerbes ab CHF 150’00.- und für einen Auftrag im Bauhauptgewerbe ab CHF 300’000.-
      Im offenen oder selektiven Verfahren: Bei Lieferungen, Dienstleistungen und Aufträgen des Baunebengewerbes ab 250’000.- , bei Aufträgen des Bauhauptgewerbes ab 500’000.-„

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