Max Furter (Jahrgang 1930) hat ein weiteres Wimmelbild zu seinen Jugenderinnerungen gemacht. Und zwar zu der Zeit als das Pflücken von Trübeli für die Hero die Sommerferien vieler Staufner Kinder und Erwachsener prägten. (Bereits zu einem früheren Zeitpunkt hat er ein Wimmelbild zur Silvesterwoche gezeichnet.)
Sei neues Bild besteht aus zwei Teilen zu den beiden Anbaugebieten von Trübeli in Staufen: links und unten die Situation im Buech (dort am Waldrand, wo heute Kies ausgebeutet wird); rechts der Trübelianbau am Staufberg.
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Max Furter hat in seinem Begleitbrief seine Zeichnung beschrieben und er liefert interessante Hintergrundinformationen:
„Um 1920 war der Rebbau am Staufberg zu Ende. Einerseits war es die Reblaus; andererseits die billigen und besseren französischen Weine, die dem damals nicht gerade edlen ‚Staufberger‘ den Garaus machten. Was nun anpflanzen am steilen Osthang des Berges? Trübeli und Quitten! Die Hausfrauen hatten ihre Rezepte, wie sie die herrlichen Früchte verwerten konnten, ein allfälliger Überschuss übernahm die Hero. Der Unterhalt der Kulturen am Berg war nicht aufwändig, aber hart. Am Fuss eines Grundstücks war jeweils ein Graben. Durchs Jahr rutschte die Erde und wurde in diesem Graben aufgefangen. Ende Jahr wurde die Erde in Handarbeit ausgebuddelt und wieder weiter oben am Hang verteilt. Das war auch eine Arbeit für uns Buben, denn mein Vater hatte ein solches Grundstück am Berg übernommen. Zu Hause im Gässli hatte er sich eine Mistgrube betoniert. Da hinein kamen Küchenabfälle und der Kaninchen-Mist. Im Herbst wurde der Mist von der Grube ausgehoben, in geflochtene Hutten abgefüllt und uns Buben an den Rücken gehängt. Über den Schultern und auf dem Rücken wurde ein Jutesack gelegt, um den ‚Saft‘ abzufangen und die Last besser auf den Rücken zu verteilen. Dann gings los – über den Schulhausplatz ins Ausserdorf. Beim ehemaligen Haus Friedrich Joos Vogt war der Einstieg „in die Reben“. Man sagt heute noch: „I goh i d’Räbe“. Auf der steilen Plantage oberhalb des heutigen Rebhüsli der Rebbaugenossenschaft wurde nun der Mist verteilt.

Die Ernte diente ausschliesslich der Selbstversorgung. Für die achtköpfige Familie wusste Mutter immer etwas anzufangen mit den roten Beeri: Gelée, sei es zur Dekoration von Gebäck oder dann eben Konfitüre. Zur Erleichterung der Ernte bastelten wir uns ‚Trübelibänkli‘. An deren Fussende befestigten wir ein längeres Vierkantholz. Dies verhinderte das Kippen bei der Lesearbeit.
Am Waldrand im Buech, südlich der Schafisheimerstrasse besitzt die Ortsbürgergemeinde Aarau ein Stück Land. Im Zuge der ‚Anbauschlacht‘ im Zweiten Weltkrieg wurde der Wald gerodet. Die Firma Hero übernahm die Fläche und bepflanzte sie mit Trübeli. Nun begann das Trübeli-Fieber! Das Pflücken der roten Beeri wurde quasi zum gesellschaftlichen Anlass im Dorf und brachte Gross und Klein einen -nicht grossen- Nebenverdienst. Ein Hero-Kesseli fasste ca. 3 Liter. Um ein solches mit Trübeli zu füllen, reichte in der Regel eine Stunde nicht.

Alle Pflücker hatten ihre Karten. Nach einer strengen Qualitätskontrolle (keine Blättchen, Stiele etc.) gab es einen Stempel auf die Karte. Der Lohn: 50 Rappen pro Kesseli.
Einer der Kontrolleure hiess Vogt – er war wirklich ein Vogt: Wir nannten ihn nur den ‚Trübeli-Vogt‘.
Es war keine strenge, aber für uns Buben langweilige Arbeit und dabei immer der prallen Sonne ausgesetzt. Aber wenn man Glück hatte und die klimatischen Bedingungen erfüllt waren, konnte man während der Erntezeit nicht nur die bekannten Cumulus-Wolken am Himmel sehen, sondern plötzlich sogar die einmaligen ‚Heromulus conservius‘-Wolken über dem Staufberg bestaunen!

Diese ganze Fiebergeschichte habe in nun in der Zeichnung vom November 2024 festgehalten. Links der Staufberg von Westen mit Häusern im Ausserdorf.
Im Hintergrund fein angedeutet Schloss- und Goffersberg. Rechts die Pflückete am steilen Osthang, die Mistträger und das praktische Trübelibänkli. Unten die Heerscharen Pflücker, die Hero-Leute und ganz rechts unten die Qualitätskontrolle durch den Trübeli-Vogt. Das Zeichnen hat mir viel Freude bereitet und Spass gemacht.“
Max Furter

Im Jahr 2026 wird das Freilichttheater Staufberg eine neue Produktion aufführen und zwar «HERO, die Geschichte 1886-2026». Dabei soll das Leben und Arbeiten zur Gründerzeit der Konservenfabrik durch die beiden Pioniere Gustav Henckell und Gustav Zweifel authentisch auf dem Staufberg auf die Bühne gebracht werden. Neben der historischen Wirtschaftsgeschichte verspricht das Theaterstück aber auch, zeitlose Themen wie Mut, Vertrauen, Liebe, Neid, Verzagen und Neubeginn zu behandeln.


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