Bauen Neues Schulhaus

Die Rückbauarbeiten beim Primarschulhaus beginnen

Eine Würdigung der Architektur des Primarschulhaus 1965

Das Primarschulhaus Staufen ist zusammen mit der Turnhalle ein Werk von Lehmann+Spögler+Morf Architekten. Das Gebäude wollte ein Gesamtkunstwerk aus dem Material Beton sein mit einer für die Mitte der 60er Jahre speziellen und modernen Architektursprache.
In späteren Jahrzehnten wurde durch Renovationen der Ausdruck der Architektur arg verändert. So wurden etwa Fenster bei der Turnhalle Richtung Pausenplatz verändert und die Fassaden am Primarschulhaus und an der Turnhalle wurden komplett anders gestaltet.

Nach 60 Jahren wird das Schulhaus 1965 auch wegen seiner starren, in Beton gegossener Struktur während den Sommerferien bis auf die Bodenplatte zurückgebaut. Darauf wird das Neue Schulhaus gebaut, das im Innern die für heutigen Unterricht notwendigen flexiblen Strukturen aufweist.

Primarschulhaus im ursprünglichen Zustand (Lehmann+Spögler+Morf Architekten Lenzburg)

Der Künstler Erwin Rehmann aus Laufenburg, der für die Kunstwerke am Bau verantwortlich war, schrieb:
«Ich war bereits in Staufen bei Lenzburg. Dort hatte Architekt Richard Lehmann den Auftrag, sein Schulhausprojekt zu realisieren. Er gelangte frühzeitig an mich, bevor seine Wände aus dem Fundament in die Höhe stiegen, um von mir Vorschläge zur künstlerischen Bereicherung zu bekommen. So hatte ich Gelegenheit, mich auch mit dem Baumaterial Beton näher zu befassen: Beton als Gemisch von Kieselsteinen, Sand, Zement, Wasser und innerer Stahlarmierung. Am Schluss bleibt nur mehr der Abdruck einer glatten Verschalung. Das gab mir zu denken. Vor allem wenn diese Methode für ein Schulhaus benutzt wird, in dem sich Klassenzimmer für Schülerinnen und Schüler befinden. Drum schlitzte ich eine solche „Betonwand“ auf, um zu zeigen, was alles in diese Mauer eingeschlossen wurde. Klassen sind nicht da, um die Schüler zu normieren, sondern um sie in einem sozialen Gefüge zur individuellen Entfaltung zu bringen. Das war mein Apell.

In der anschliessenden Wand im Treppenhaus doppelte ich mit einem «Schalungsrelief» nach: den Lebenskeim erkennen und ihm Raum geben! Dieses Gebilde hat eine Höhe von 580 Zentimetern, die aufgeschlitzte Wand in der Parterrehalle ist 400 Zentimeter breit. Nur der alte Herr Pfarrer von der Staufberg-Kapelle hatte Mühe mit meiner Formensprache. Bis die vertretene Lehrerschaft brüsk auf ihn losging mit dem Winkpfahl: Die Zeit von Hänsel und Gretel sei vorbei. Der alte Mann tat mir so leid, dass ich ihn in Schutz nahm. Er meinte, was er selber nicht verstehe, könnten die Kinder schon gar nicht deuten. Dieser gute alte Herr!

Auch für meine «Zellkörper-Säule» in Bronzeblech, die ich mitten in die Pausenhalle stellte, fand er kein gutes Wort. Ungegenständlichkeit war für ihn eine Welt, mit der die Kinder überfordert seien. Alle anderen der Baukommission dachten, es sei umgekehrt. Der Architekt unterstützte sie. So war es für unseren Kanton Aargau das erste Mal, dass ein Künstler mit einem ungegenständlichen Werk zum Zuge kam. Architekt Lehmann behielt mich im Auge und kam bei späterer Gelegenheit in Zürich wieder auf mich zu.» (Erwin Rehmann, Memesis, 2011, Bd. 1-3: hier Bd. 1 S. 109)

zum Vergrössern Bilder anklicken (Fotos Erwin Rehmann Museum)

Ade „Walfischmaul“ und „Donnerkeil“; die in Beton gegossenen Werke von Erwin Rehmann werden beim Abriss des Schulhauses zurückgebaut. Nicht alle Schulkinder hatten Freude an der Kunst am Bau. Das riesige Maul mit Zähnen, das die Kinder auf Augenhöhe anstarrte und die Säule mit ihren geschweissten Bronzeplatten, die für Kinderaugen wie Fratzen und Masken aussahen, hat bei vielen kleineren Kindern auch Ängste ausgelöst. Für das „Bronzemonster“ wurde beim Zopfhuus ein neuer würdiger Standort gefunden.

Usrüefer-Redaktorin Sabina Tschachtli hat mit einem Schreibwettbewerb für Kinder den Kunstwerken ein sprachliches Denkmal gesetzt. Die 100-Wort-Geschichten werden in der Septemberausgabe des Usrüefers publiziert. Die teilnehmenden Kinder erhalten als Erinnerung ein Stück des Betons von den Kunstwerken am Bau.

Ab 7. Juli 2025 beginnen die Abbrucharbeiten des Primarschulhauses. Zuerst im Innern, dann ab Sommerferien auch der Rückbau der Tragstruktur.


2 Kommentare zu “Die Rückbauarbeiten beim Primarschulhaus beginnen

  1. Avatar von Dana Schrader

    Ein unglaublich schöner Zeitzeuge! Es ist sehr schade, dass dieser nun verschwinden wird. Ich bin sicher, wenn dieses Ensemble heute noch so sichtbar wäre, würde es längst unter Schutz stehen.

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  2. Avatar von Susanna Krähenbühl
    Susanna Krähenbühl

    Danke für den spannenden Beitrag. Es ist schön und leider nicht selbstverständlich, dass Gebäude und Kunstwerke, die rückgebaut werden, so sorgfältig gewürdigt werden.

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